Reisetagebuch

16.11.2008 (1)
Hier werden je nach Kommunikationsmöglichkeiten via Satellit/Kurzwelle während der Überfahrt Live-Kommentare veröffentlicht. Das Fieber steigt, die letzten Vorbereitungen laufen...

22.11.2008 (2)
Die Leon de Mar wird übernommen... Bild hierzu siehe hier.

24.11.2008 (3)
Gestern von Lanzarote aus gestartet, sind wir heute morgen in Las Palmas auf Gran Canaria angekommen. Nun ist die Leon de Mar auf dem Trockendock. Das Unterwasserschiff muss von Bewuchs befreit und frisch gestrichen werden.

25.11.2008 (4)
Heute Morgen regnet es in Las Palmas leicht, was hier recht selten ist. Wir verbringen unsere Zeit mit Schiffsputz und neuem Anstrich des Unterwasserschiffes. Am Nachmittag machen wir uns auf die Suche nach dem Frischwarenmarkt...

26.11.2008 (5)
Heute werden René und Urs hier in Las Palmas erwartet. Nach der morgigen Ankunft von Res wird unsere Crew vollzählig sein. Mit frischem Anstrich des Unterwasserschiffes kann auch die Leon de Mar voraussichtlich heute Abend wieder ins Wasser gelassen werden. Der Countdown läuft, der Moment der Abfahrt rückt näher...

28.11.2008 (7)
Die Leon de Mar liegt bereit. Es müssen noch die letzten Details besprochen werden, Frischwaren eingekauft, an Bord gebracht und verstaut werden. Der Start naht und das Kribbeln steigt...

28.11.2008 (8)
Kurz vor Abfahrt haben wir noch ein Internet-Café gefunden, so können wir einen etwas längeren Text als bisher via SMS schreiben. Gestern und heute haben wir unser Mietauto mehrfach vollgepackt mit all den Versuchungen, welche uns im RIESEN-Supermercado schwach haben werden lassen. Viel zu viel?! 1400 Euro haben wir der spanischen Volkswirtschaft vermacht, olé. Fotos sollten folgen unter Pictures, diese haben wir via Handy verschickt, die Tücken der Technik erlauben aktuell keinen Internet-Zugang vom Schiff aus. Noch schlimmer, auch die Wetterkarten können erst nach Verlassen des Hafens zuverlässig geladen werden, zuviele Störsender im Hafen mit all den Luxusyachten. Aber die grösste Sorge ist aktuell, ob das Bier reicht :-) Morgen sollte es nun also losgehen, genug gebunkert und Landratten gespielt, jetzt werden alle ungeduldig und wollen endgültig auf's Wasser, 5200km in einem Schnurz (fuer die Walliser unter Euch: in einum Riemu), dann vorläufig leider keine Fotos mehr. Das letzte, welches wir jetzt grad noch unter 'Pictures' zu laden versuchen: Crew im Volltenue. Hasta luego, wir vermissen Euch schon heftig. Andreas, Rudi, René, Urs und Skipper Hans

29.11.2008 (9)
Heute 13:10 Uhr Ortszeit (14:10 MEZ) Leinen los, fast schon wie ein eingespieltes Team, kein Skipper-Kommando notwendig, dabei segeln einige zum ersten mal gemeinsam. Gute Wünsche unserer Liegeplatz-Nachbarn begleiten uns, erstaunlich, zuvor haben wir 2 Tage nicht miteinander geredet, bloss gestaunt, was es auf einem brandneu aussehenden Edelsegler alles zu hantieren gibt... Wohl weil sie nach Brasilien segeln werden, da sind Äusserlichkeiten vielleicht wichtiger :-) ... Wie auch immer, unserere Wassertanks sind gefüllt, zur Tankstelle cruisen und die letzten Luftblasen im Dieseltank verdrängen, zum letzten kurzen Sprung auf festen Boden ansetzen um ihn dann für was weiss ich wie lange nicht mehr zu spüren, solange bis die Sehnsucht danach uns zu Freudensprüngen bei "Land in Sicht" in ca. 20 Tagen animieren wird. Bei Schwachwind aus NNO motoren wir für eine Stunde, um dann bei 10 Knoten Wind das Vorsegel zu setzen und mit 5 Knoten nach Log resp. 5,4 Knoten nach GPS Kurs 164° um Gran Canaria zu segeln, bevor wir dann auf Kurs 218° Richtung KapVerde wechseln werden. Die letzten SMS erreichen uns, der Empfang wird aber demnächst abreissen. Erleichert testen wir erfolgreich auch gleich die Funkverbindung auf Kurzwelle, mit welcher wir Emails versenden/empfangen werden können (nicht via der auf dieser WebSite angegebenen Email-Adressen, Kurzwelle verträgt keine SPAMs). Also, frohgemut unterwegs, ENDLICH ENDLICH, nach 3 Jahren Zeit mit Ideen, Crew zusammenstellen, Planung und Bücherwälzen, Charter-Schiff suchen, Urlaub eingeben, Befürchtungen und Ängsten, ob alles klappt und ob wir auch gut vorbereitet sind, ob wir gut zusammenspielen werden, ob unsere Familien, Lebenspartnerinen, Arbeitgeber und Praxisteams uns den Wind schnuppern lassen werden und unsere Leidenschaft und unseren Freiheitsdrang zumindest für kurze Zeit uneingeschränkt ausleben lassen. Nun ist alles weggewischt, Zuversicht, dass alles gut klappen wird, dass wir einmalige Erlebnisse haben werden und Zeit für uns mit Wind & Wasser, um bald auch wieder frisch und gestärkt und voller Impressionen zurückzukehren. Das Strahlen in unseren Gesichtern wird hoffentlich auch Euch Freude bereiten. Nun aber Schluss für heute, keine philosophischen Ausschweifungen, einfach allen herzlichen Dank, dass Ihr uns gehen lässt, und nun ab, die Küche ruft, der Magen knurrt, und hoffentlich ist der Reis nicht zuunterst im Lager...

01.12.2008 (10)
Nun sind unsere Abenteurer schon seit zwei Tagen mit durchschnittlich 85 Seemeilen pro Tag in Richtung Kapverden unterwegs.

02.12.2008 (11)
Heute hat uns eine e-Mail von der Leon de Mar erreicht. Gesandt wurde sie bereits am 30.11.2008, wo die wohl nur war. Sie lautet wie folgt:
"Erster ganzer Tag auf See bei schwachem Wind und sonnigem, warmem Wetter. Gleich am Morgen sind uns zwei Delfine besuchen gekommen und haben eine Zeit lang unsere neue Heimat umschwommen und am Bug gespielt. Was für ein Tanz im Wasser. Später haben wir erfolgreich den Parasailor, eine spezielle Art Spinnaker, probiert. Das über 140 Quadratmeter grosse Segel in gelb hat Farbe aufs Meer gebracht. Der Bordalltag lebt sich langsam ein und wir gewöhnen uns an das Wachsystem. Res ist am Ruder, darum wird die Nachricht heute ein wenig kürzer."
Schön, dass unseren Abenteurern allen gut geht.

03.12.2008 (12)
Der anfänglich zögerlich wehende Wind hat sich in die erwartete Atlantikstärke mit Spitzen bis 38 Knoten verwandelt, was dazu führt, dass wir ansehnliche Etmale von 160nm (24h-Distanz in nautischen Meilen = 1,852km) erreichen. Was vielleicht nicht auf den ersten Blick ersichtlich ist, wenn man die GPS-Position der Leon de Mar auf der Karte verfolgt, dass die längere Zeit der 24h-Fahrt in der Nacht stattfindet. Mit dem ausgeklügelten Wachsystem von Hans (Gerüchte sagen, dass während der Entstehung des Plans wegen rauchendem Kopf in der Umgebung des Oberländer-Chalets kein Schnee mehr lag), ergibt sich, dass jeder der Crew alle Abschnitte der Nacht erlebt. Vorgestern Sonnenuntergang mit gleichzeitigem Mondaufgang in zunehmender Phase mit unmittelbar daneben stehenden Jupiter und Venus. Einmalig! Oder mitten in der Nacht, es glitzert und funkelt im Wasser, ich sage zu Hans "siehst du, wie der Mond sich spiegelt...?". Iwo, der Mond ist längst untergegangen. In unserem Kielwasser und in der Gischt leuchtet ein Meeresphänomen, wahrscheinlich Plankton, das durch den Kontakt mit Sauerstoff zum Glühen gebracht wird. Wir sind nicht ganz sicher, lasst schon mal die Lexika ihr Wissen kundtun, wir hören gerne, was wir denn da sehen. Platsch, eine nächtliche Dusche, die Welle erwischt mich voll von hinten, tagsüber kann man sie wenigstens erahnen, wenn sie sich gleich neben dem Boot über Mannshöhe auftürmt. Zum Ende der Wache, die windbedingte Kälte hat uns längst die Beine in die Segelsäcke stecken lassen, die Müdigkeit übermannt einem und man ist froh, den nächsten wecken zu können, welcher mit frischer Konzentration Egon (die Windsteueranlage) seine Streicheleinheiten zukommen lässt... PS: heute tagsüber erstmals geduscht, wenn man nicht negativ olfaktorisch (geruchtlich) auffallen will, hat man sich in sein Schicksal ergeben. Doch nach dem ersten Kessel Atlantikwasser zeigt sich, dass die 21° Wassertemperatur (bei identischer Lufttemperatur) gut erträglich ist, das Migros-Deo tut den Rest. Und da wir heut abend noch was vor haben, wird auch gleich rasiert...

04.12.2008 (13)
Tagesbericht vom 4.12.2008 Es ist nun mal so, dass die Technik zwar fortgeschritten, aber nach wie vor nicht wirklich zuverlässig ist. So wird die Sat-Posititon offensichtlich nicht zuverlässig jeden Tag gesendet, was aber nicht heisst, dass die Stimmung an Bord schlecht ist. Weil wir aber auch nicht wissen, ob unserer täglichen Berichte auch tatsächlich ankommen, und ob Ihr nichts an uns mailt oder ob nichts bei uns ankommt, schreiben wir heute einfach mal Antworten auf mögliche Fragen: Frage: Wieso habt Ihr eigentlich nicht das Flugzeug genommen, das wär billiger. Antwort: Hmmm Frage: Habt Ihr genug zu essen? Antwort: Beim dauernden Wellengang hat der Magen leider nur halbe Kapazität, Vorräte reichen bestens Frage: Vermisst Ihr uns? Antwort: Sehr, und immer mehr... Frage: Wetter/Wind/Prognosen? Antwort: Es wird langsam wärmer, 20° Breite hinter uns gelassen, Sonnencreme wird eingesetzt. Wind stabil, Kurs bestens, Prognosen soweit wir das übersehen, wie erwartet Frage: Wisst Ihr noch, wie das Landleben so ist? Antwort: Wenn wir Euch so begegnen würden, wie wir uns unelegant stolpernd in der Küche die Köpfe anschlagen, würdet Ihr uns sogleich zur nächsten Notfallstation zur weiteren Abklärung bringen. So können wir uns kaum noch vorstellen, wie praktisch doch fester Boden unter den Füssen ist.

05.12.2008 (13)
Predigen wir doch in unserem Alltag andauernd, auch Ruhephasen einzulegen und der Hektik des Alltags zu entrinnen, in Ruhe neue Kraft zu tanken, mittels Rast der Rastlosigkeit zu entrinnen. Und hier? Andauernd Bewegung, zum Bug, zum Heck, nach Steuerbord, nach Backbord. Schwierig darin ist aber lediglich die Gesetzlosigkeit der Ungleichmässigkeit. Mal ufe, mal abe, mal links, mal rechts.... das gilt eben leider nicht, und schon wieder hat einer seinen Näggel angeschlagen, weil eine Welle kurzerhand das Schwanken nach links durch einen Absacker um 2m ersetzt hat. Die Flüche sind aber moderat, noch haben uns die letzten Regeln des zivilisierten Lebens nicht verlassen. Nun sind wir 13sm (sm = seemeilen 1.852 Km) nördlich von 18° Breite und langsam wird ein westlicher Kurs entlang der Passat-Hauptrichtung eingeschlagen. Nicht einfacher zu segeln, weil Egon hier platt vor dem Wind seinen Dienst quittiert und wir selber das Steuer übernehmen müssen. Dabei dachten wir, die Kolumbus-Mär von Skorbut sei lediglich Erfindung, in Tat und Wahrheit hätten unsere seglerischen Vorväter bloss wegen Langeweile unter Nasenbohren gelitten. Nichts da, es knarrt und ruckt in den Planken, auch wenn unser Aluminium-Böötli diesbezüglich Zurückhaltung übt. Ein Schnarcher vom Admiral kann da auch mal einen Winddreher vortäuschen. A propos Geräusche, die unliebsamen Seekrankheits-Laute eines standhaften Matrosen gehören definitiv der Vergangenheit an, doch dies bloss am Rand bemerkt, wir bitten um diplomatische Zurückhaltung. Jeder, den es nicht im Vollbild erwischt hat, ist froh darum, Hähme ist völlig fehl am Platz, zuviel Empathie aber auch, zu gross ist die Gefahr bei Mitfühlen auch mitzuwürgen... Unsere Frischfleisch-Vorräte sind gestern mit dem besten aller möglichen Rollbraten zur Neige gegangen, nun ist List gefragt, die Angelleine ist ausgeworfen, mal sehen was es morgen zum Znacht gibt. Fisch wäre angebracht, meditarenes Essen bei mittlerweile 25° Wasser und 27° Lufttemperatur passend. Bloss die Weitsicht ist nicht ganz lauschig, die Sonne drückt zwar durch die dunstgeladene Luft, aber das Bild erinnert eher an einen trüben Ostseetag denn an eine farbenfrohe tropische Feststimmung. Umso spannender, als dass dies wohl der Anfang des lebenspendenden Wasserkreislaufes ist - und wir sitzen mitten in der Suppe.

06.12.2008 (14)
Gestern haben wir ein Mail von unserer Crew erhalten. Alle wohlauf. Sie haben die Capverden nördlich passiert. Nun gehts definitiv in Richtung Karibik. Wind ist günstig. Nach ihren Etmalen (zurückgelegte Distanz innerhalb 24h) von 140-160 Seemeilen kommen sie zügig voran. Bis Bald und gute Fahrt.

07.12.2008 (15)
Der Wind von rund 12 Knoten kommt die Leon de Mar seit gestern ihrem Ziel wieder um 130 Seemeilen näher. Eine gute Woche unterwegs hat unsere Crew bereits über 1'100 Seemeilen zurückgelegt, man könnte sagen, über fünf Mal vom Boden- bis an den Genfersee gesegelt, nicht schlecht oder?

07.12.2008 (16)
"Der heutige Sonntag mit einem prächtigen und fotographisch dokumentierten Sonnenaufgang, das frühmorgendliche Steuern in Passatbesegelung mit rhythmischem Wechsel des Standbeines. Das Geräusch der hinter einem brechenden Dünung mutet wie das ruhige Ein- und Ausatmen des schlafenden Kolosses an... SSSsss - bhhhu --- SSSsss - bhhhuu.... Konzentrierte Meditation in voller Reinheit. Nicht, daß wir uns nach unserer Rückkehr als Gebärkurs-Gurus aufblustern würden, aber um der aufkommenden Verstopfung Paroli zu bieten, reicht die erlernte atlantische Atemtechnik allemal... Der anstehende Brunch mit selbstgebackenem Züpfen verspricht auch weiter einen guten Tagesverlauf, doch das laue Lüftchen lässt keine überbordende Stimmung zu, beinahe befremdend, wie die See mitten im Atlantik ruhig sein kann, fast wie am Ufer des Murtensees... So wird´s ein Sonntag wie zu besten Junggesellenzeiten, weshalb bloß ist man aufgestanden. Vielleicht liegts am gestrigen Sami-Niggi-Näggi, für uns war aber mehr Bart-Ab als Bart-An im Freiluft-Bad achtern angesagt. So sind zeitig auch zum Ausgehen des Frischfleisch die Bemühungen unseres Fischers von Erfolg gekrönt, ein kleiner Thunfisch kann tranchiert werden und wird wohl die heutige Katerstimmung noch auffangen und uns vor Corned-Beef und Dosen-Würstli mit 3 Gault-millau-Punkten bewahren. Falls nicht, können wir zumindest auf moralische Unterstützung hoffen, wie gestern, als beim Bergen des Parasailors mit kleinen Problemen und Starten des Motors gleich 4 Delphine auf dem Parkett standen und zum Gelingen beitrugen. Doch keine Bange, wir sind weiter guten Mutes, 1100sm sind geschafft, die Stimmung ist weiterhin gut und Zeit bringt Rat respektive Erdrotation den Passat.

09.12.2008 (17)
Good News! Hälfte der Gesamtdistanz von 2850 Seemeilen ist bereits geschafft! Unsere Crew befindet sich also mittendrin! Wünschen wir Ihnen alles Gute für die zweite Hälfte.

09.12.2008 (18)
Nach dem sonntäglichen Durchhänger wurde das Wochenende doch noch in etwas höherem Takt, beinahe schon fortissimo, ausgeleitet. Zuerst stehen wir aufgeregt wie kleine Jungs an der Reling, was uns fasziniert sind aber nicht Meerjungfrauen, sondern die erste Schiffsbegegnung seit 4 Tagen, ein entzückend anmutiges rostiges Cargoschiff. Unser Interesse gilt aber sogleich und klischee-behaftet unserer mit Technik vollgestopften Leon, mittels Radar-Software auf dem Notebook kann die Identität des Schiffes inklusive Funk-Kennung ermittelt werden. Zwei weitere Schiffsbegegnungen folgen während der Nacht, offensichtlich kreuzen wir eine Route, vielleicht von NewYork nach CapeTown führend, wer weiss. Die Nachtwache, wohl abgelenkt von der Technik, erlebt sogleich auch einen Beinahe-Crash mit einem Segler, wobei ,nahe' mit 2 Seemeilen relativ ist. Immerhin ist die Wasser-Spiegelung des Toplichts der anderen Yacht klar erkennbar, erstaunlich, rundum Wasser, Aqua, Eau, Water, und dann aus dem Nichts ein menschliches Insignuum. So fühlt sich wohl das grüne Männchen auf dem Mars, wenn es der ferngesteuerten Marssonde begegnet. Doch weit eindrücklicher war die Nacht für Rudi, der die Unberechenbarkeit der Natur in glücklicherweise noch moderater Form erlebte: Gemütliches Schaukeln wie in der Badewanne, und innerhalb von Minuten Auffrischen des Windes bis über 30 Knoten, Windstärke 8 und Admiral Meyer muss zu Hilfe eilen und die Genua-Besegelung schleunigst reffen, bevor der Wind uns zu Marionetten macht. Gut Nacht. Alles heil überstanden, war ja auch halb so wild, Fussgängerstreifen in Bern sind gefährlicher!

09.12.2008 (19)
Da wir Euch auf hoher See keine Bilder senden können, wäre heute eigentlich eine Beschreibung von Farben und Bildern angestanden. Aber die Natur macht uns einen Strich durch die Rechnung. Frühmorgens geht ein derber Regen über uns herab, Wäscheküche in Reinkultur, aber zum Glück die Waschmaschine nur im Schongang. Zur Belohnung löst sich anschliessend das dunstige Grau der Nacht auf, der Wind frischt etwas auf und wir können erneut unseren Parasailor setzen und rauschen für kurze Zeit mit über 6 Knoten Fahrt bei 11 Knoten Wind dahin. Doch schon verdichten sich die Regenwolken wieder und plötzlich taucht eine Wand vor uns auf. Die gerade sich gemütlich niedergelassene Crew schmeisst die Bierbüchse aus der Hand über Bord, wirft sich in die Sicherungsweste und der Parasailor wird notfallmässig und dennoch lehrbuchhaft eingeholt. Die Wand entpuppt sich als erneute Regenschauer und nicht als gefürchtete Böenwalze, so nutzt der Steuermann den Regenguss gleich als Süsswasserdusche, erneut begleitet von einer dahindümpelnden Delphinfamilie. Nun ists wieder mal Zeit den Motor unserer Segel-Arbeit machen zu lassen, Gelegenheit, unsere und die Schiffs-Batterien aufzuladen. Bald ist der Bergpreis bei 35° West erreicht, dannach gehts hoffentlich etwas schneller, weil die Erdkugel wieder runter... und bei vollständiger Flaute hätten wir zumindest die (rettende) Option, mittlerweile fast 1/3 der verbleibenden Strecke unter Motor zurücklegen zu können... Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob ein transatlantischer Live-Blog in dieser Form schon mal Bestand hatte. Wenn ja, könnten wir den unseren allenfalls noch um einige gruppendynamische Inhalte aufpeppen um etwas aufzufallen, mal sehen, was das hergäbe. Zumindest ist die Stimmung an Tag 11 (entspricht dem 8.Ehejahr) weiterhin gut, lediglich die Essensfrage wird mittlerweile etwas heisser diskutiert, Büchse Ton versus 18 Gault millau...

10.12.2008 (20)
Tag 12 auf hoher See, heute haben wir definitiv den Bergpreis geschafft und mit Schämpis wurde dies gebührend begossen.... Perspektiven braucht der Mensch. Nach einer fordernden Nacht mit wiederholten Regenschauern bis in den Morgen hinein hat sich die Sonne unserer erbarmt und der Passat hat sich durchgesetzt. So können wir, was im bisherigen Verlauf nicht allzuoft der Fall war, mit Vollbesegelung gen Westen rauschen, wir kommen beinahe in einen Geschwindigkeitsrausch mit einer maximalen Geschwindigkeit von 9,4 Knoten, was knapp 18km/h entspricht. Das hebt die frühmorgendliche Regen-Stimmung, auch wenn eigentlich jeder weiss, nach em Räge chunt d´Sunne, nachem Briegge chunt d´Freud... Der auffrischende Wind bringt auch wieder höhere Wellen mit sich, doch mittlerweile ist das Geschaukle schon essentiell für unseren Tiefschlaf, ist die See zu ruhig, fehlt das Wiegen in den Schlaf. So schnell können sich Perspektiven ändern, erst noch Angst vor Wellengang, nun wächst - zumal die Hälfte geschafft ist - das Grauen vor der Landkrankheit. Mit der Sonne und den Wellen sind auch wieder freundlichere Farben als das konturlose Grau des Regens aufgetaucht. Aber dennoch, mit unserer Abkehr von der alltäglichen Reizüberflutung werden die Farben- und Formenspiele der Natur umso atemberaubender, selbst der gescholtene Regen. Eine sich vor uns ihre Schleusen öffnende Wolke mit bedrohlichem Grau zum verschwommenem Horizont und gleichzeitig beleuchtet von der Sonne in hier immer wieder auftauchendem Graugelb. Die Tiefe des Wassers in der Farbe nicht vermutet, nicht gleich azur, aber doch ein leuchtendes Blau, das dem Wasser sein Bedrohlichkeit nimmt. Sonnenaufgänge präsentieren sich oft mit Wolken verhangen, aber die dahinter aufsteigende Sonne zeigt ihre Strahlen in allen Schattierungen. Bei Sonnenuntergang ein endloser Verlauf grau-gelb-rötlich hin zum endlos scheinenden Horizont. Und jetzt kurz vor Vollmond, die Nächte, soweit es aufhellt, dann fast taghell und die normalerweise nächtlichen Grautöne in vollsten Farben. Der Preis des Vollmondes ist momentan leider ein verstecktes Sternenspektakel, aber wir freuen uns schon wieder darauf, der Mond geht nun bereits im späten Nachmittag auf und wird demnächst die zweite Nachthälfte den Sternen überlassen, ohne störende zivilisatorische Beleuchtung, Reklamelichter, hier eine absurd anmutende Vorstellung, auf was für Ideen Menschen bloss kommen. Die Verschiebung der Gestirne verändert auch unsere Tageszeit, mittlerweile sind wir 3 Stunden nach Schweizerzeit, unsere nachmittäglichen Berichte treffen so immer später bei Euch ein. PS: wir haben vernommen, dass in Suiza gewählt wurde. Wisst Ihr, was uns das interessiert? Was sind Wahlen? :-)

11.12.2008 (21)
Einer fantastischen (Fast-)Vollmondnacht folgt ein in nichts nachstehender Passat-Segeltag, beides wie es im Bilderbuch steht und dem bleibt nichts hinzuzufügen. Doch die darauffolgende Nacht zeigt wieder ein anderes Gesicht, mir Regenschauern und unberechenbaren Fallwinden bis 38kn, was uns zur Umsegelung der kleinräumigen Störungen zwingt. Dass sie kleinräumig sind, weiss man einfach immer erst nachher, so bleibt einem die Spannung erhalten... und falls nicht, so bringen gelegentlich auch die fliegenden Fische etwas Spannung, so erschrickt Urs wegen einem solchen auf nächtlichem Kollisionskurs mit seinem Schnauz, worauf dessen Flugbahn sich direkt zwischen Fuss und Planke verändert. Stumpfes Bauchtrauma! Doch das sind Nebensächlichkeiten. Gegenseitiges Eingestehen, dass die Seemeilen langsam genüge tun und Land in Sicht nicht eine widernatürliche Wunschvorstellung eines einzelnen ist, lassen die verbleibende Strecke kürzer erscheinen. Die Rechnerei ist in Gange, das Log zeigt 1800sm, vorausgesagt waren total 2800sm, die vierstellige Zahl wird dreistellig, aber eigentlich noch nicht, weil ZickZack nicht berücksichtigt, aber egal 2/3 geschafft, wenn man vernachlässigt dass, und falls, vielleicht etwas näher, und am Schluss die letzten 200sm zählen nicht, oder doch, was weiss ich....

13.12.2008 (22)
Bericht vom Samstag: Für Kinder: Auf dem Atlantik gibt es z.T. ganz lustige Wolken, manchmal sehen sie aus wie ein Frisbee.
Für Partnerinnen: Das Wetter ist nicht sehr schön.
Für alle übrigen: Der Frisbee ist bereits in seiner lokal überblickbaren Ausdehnung mindestens 30sm gross, hat uns die ganze Nacht (vom Fr auf Sa) beschäftigt und Windgeschwindikeiten bis zu 48 Knoten (fast 90km/h) gebracht, ein ausgewachsener Sturm, Vorstufe zum Orkan/Hurricane. Wäre die Hurricane-Saison nicht bereits hinter uns, hätten wir wohl einen grossen Bogen genommen, so haben wir den Frisbee gesehen, gerefft, Motor kurzfristig gestartet um die Batterien zu laden, gekocht - am Tisch filmreife stille erwartungsvolle Einkehr - und dann ab durch die Mitte. Hui, mit 48Knoten heult der Wind tatsächlich... alles gut gegangen, unser Leon und Egon haben ihre Schwerwetter-Tauglichkeit bravourös unter Beweis gestellt und wir die Übersicht nie verloren...

15.12.2008 (23)
Nach all den Wetterkapriolen, aber eigentlich insbesondere nach 16 Tagen x 24 Stunden x 60 Minuten Dauersegeln, Dauerschaukeln und eingeschränktem Bewegungsumfang ist das grösste aller vorstellbaren Bedürfnisse, sobald der in absehbare Nähe gerückte Zielhafen erreicht ist (noch 880sm), nichts weiter als ein ausgedehnter Spaziergang. Muskeln, Knochen, Gelenke rufen nach Bewegung. Die grösste aller Befürchtungen ist, dass wir torkelnd durch die Strassen wanken werden, uns an Palmen und Laternen haltend, um das Schwanken des Festlandes auszugleichen. Gleich verhält es sich mit dem Schlaf. Nichts sehnlicher erwartet, als wieder mal in bequemster und nicht stabilster Liegeposition zu ruhen. Aber wahrscheinlich werden wir gar nicht mehr schlafen können, wenn wir nicht von Mutter Natur wie ein Baby in den Schlaf gewiegt werden. Ach, war das schön, als wir noch am Nuggi hingen. Nach stürmischer, dann regnerischer, nun flaue aber heisse See - 30° Luft, 27° Wasser. Zeit wieder mal den Parasailor zu setzen, auch wenn dafür der Wind kaum ausreicht. Habt Ihr Euch auch schon mal gefragt, wie Segler in all Ihren Leinen Ordnung halten? Wir auch.... Da haben wir mit den Sternen nach gestrigem praktischen Unterricht in Astronomie fast schon mehr den Durchblick, Rudi sei gedankt, hab ich doch erstmals per Auge Andromeda (Sternbild männliches Kamel?) gesehen - nebst all den vorbeiziehenden Satelliten.

19.12.2008 (25)
Seit Gestern befinden wir uns in einer Schwachwindzone und dementsprechend langsam geht es Vorwärts. Mit hilfe von Motor und Segel versuchen wir in die windreiche Region 200 - 300 sm vor St. Lucia zu gelangen. Dann sollten wir zum Endspurt ansetzten können und unserem Ziel unter vollen Segeln entgegenrauschen.

20.12.2008 (26)
Im Cockpit dachten sie schon, Land stehe unmittelbar bevor, lautes Gezwitscher... aber die Töne kamen aus dem Maschinenraum, es waren die Rohrspatzen (Bordmechaniker) die fluchten, was sie konnten. Gestanksemissionen, der Alternator ist futsch, Ein- und Ausbauen, Spannung messen, alles ohne Nutzen, unsere Hauptstromquelle ist hinüber. Das bedeutet absolut sparsamstes Umgehen mit Strom, unsere Batterien werden lediglich über die Solarpanel gespiesen, welche nicht wirklich leistungsfähig sind. Deshalb müssen wir nun warmes Bier trinken (Kühlschrank = Stromfresser), unsere Handnavigationsgeräte bereit halten und die tägliche Berichterstattung wohl oder übel einstellen, der Compi sauft jede Menge kühles Bier (= Strom - oder umgekehrt?). Wir werden aber versuchen, über das Iridium (Sat-Tel) Kurzberichte sprachlich zu übermitteln, im besten Fall sind wir in 4 Tagen (eher 5-6 Tage) in St.Lucia, dort werden wir nachreichen, was es nachzureichen gibt. Für Notfälle sind wir nach wie vor über das Iridium erreichbar, dieses wird aber nur von 20:00 - 21:00 Schweizer-Zeit eingeschaltet sein! Darüber hinaus strahlt die Sonne, ist die schlimmste Flaute hinter uns, aktuell ist der Parasailor gesetzt und wir rauschen dahin, was die Stimmung an Bord merklich anhebt.... So long, bis in 4 Tagen!

20.12.2008 (27)
Dank sparsamstem Umgang mit Strom inklusive Trinken von warmem Bier, der ultimativen Höchststrafe, reicht es dennoch für einen kurzen Tagesbericht. Es gibt auch nicht wirklich viel zu rapportieren, die letzten Meilen ziehen sich, der Wind macht seine Sache zwar nicht schlecht, aber den Dauer-Turbo-Booster, den wir uns wünschten, hat uns noch nicht erreicht.... So ziehen sich die Stunden dahin, die einzig wichtige Anzeige ist diejenige der Restmeilen. Aber dennoch, wir geniessen auch, der herrliche karibische Sonnenuntergang und der zartrosa Sonnenaufgang bleibt einmalig, nebst Stalldrang wirds auch ein bisschen melancholisch, solche Nächte und Tage werden wir in unserem Alltag noch oft heraufbeschwören. Also, blast alle ein bisschen Richtung Westen, das soll helfen, darüber hinaus geben wir unser bestes, die Stimmung hoch zu halten.

20.12.2008 (28)
Auf einem diesigen windarmen Mittwoch, eher ostseeanmutend, folgt eine regnerische WINDSTILLE Nacht. Motoren ist angesagt um den letzten Funken Hoffnung zu erhalten, dass der Flug eines unserer Crew-Mitglieder noch erreicht wird. Wenigstens hat heute Donnerstag die Sonne wieder Oberhand gewonnen, mit Wind ist aber nach wie vor nicht viel los, der Parasailor muss wieder eingepackt und der Motor gestartet werden. Tja, was sollen wir da schreiben, wir versuchen den mangelnden Komfort ohne Kühlschrank mit phantasievollem Ausmalen von kühlen Drinks unter schattenspendenden Palmen mit dem Plätschern der sanften Brandung zu überbrücken. Oder was auch nicht schlecht ist: Zuhause den Vorplatz von Schnee befreien, dann in die warme Stube, einen heissen Tee, aber dann gleich wieder - schwupps - auf die See...Was wir zumindest NICHT haben: Weihnachts-Einkaufsstress. Da doch trotz allem lieber 31° Luft, 28° Wasser, ...

20.12.2008 (29)
Seit letzter Nacht haben wir wieder Nordostwind. Somit segeln wir wieder und das gefällt allen auch besser. Wir träumen schon von einem kalten Getränk und einer Süsswasserdusche. Nebenbei erwähnt, haben wir in den letzten drei Wochen nur mit Salzwasser geduscht, Zähne geputzt und Geschirr gespült. Jeder zählt wohl für sich die Stunden bis zur Ankunft. Aber ganz so weit sind wir ja noch nicht. Der gute Mut ist jedoch erhalten geblieben. Morgen gibt es dann den letzten Bericht von der hohen See. Der Allerletzte kommt dann von Land.

21.12.2008 (30)
Heiss ist es. 30° im Schatten. Kühler aber nicht kalt war es in der Nacht. Eine wunderschöne Nacht übrigens. Das ganze Sternenzelt breitete sich über uns aus und die Wache konnte sich an vielen Sternschnuppen erfreuen. Auch die gefürchteten Squalls blieben aus. Squalls sind Regenwolken , die heftig ausregnen und meist auch kurzfristig Windböen mit Geschwindigkeiten von 40 Knoten und meher bringen können. Wehe dem der nicht rechtzeitig gerefft hat, wenn so ein Ding über die Yacht hinweg zieht. Aber dafür ist ja die Wache da und hält immer nach solchen Wolken Ausschau. Im Moment sind wir wieder mal mit dem Parasailer Unterwegs. Bis zu 8.4 Knoten versteht sich. Segeln so wie es sein sollte. Die letzten strapaziösen Tage ohne Komfort sind schon fast vergessen, jetzt wo das Ziel kurz vor Augen ist. In 40 Meilen sehen wir mit dem Fernglas vielleicht schon die ersten Anzeichen von Land. Die erste grössere Möwe hat uns schon besucht. Freude herrscht...;-)

22.12.2008 (31)
ES IST GESCHAFFT!!!!! Nach 23 Tagen (552 Std ) und 3106 Seemeilen (5752 km), haben wir in der Marina Rodney Bay / St.Lucia die Leinen festgemacht. Mit dem letzten Pfupf aus der Batterie konnte der Champagner kühl gestellt werden und angemessen angestossen werden! Kaum einer, der es nicht getan, kann sich dies wohl vorstellen. Ununterbrochenes Schwanken, vorwärtskommen, Rechnen, eingeschränkt auf engsten Raum. So gross ist also die Kugel!!! Dabei haben wir ´nur´ einen ganz kleinen Teil befahren. Alle sind glücklich hier zu sein. Ein Abenteuer und Traum haben wir erlebt, das muss erst noch verarbeitet werden, bevor alle Eindrücke in Worte gefasst werden können, so freut Euch auf Erzählungen vor dem warmen Kamin wenn wir zurück sind.... Das war unser letzter Bericht. Nun werden wir noch die schönsten Plätze in der Karibik (Windward Islands) besuchen bis wir anfangs Januar 09 in die Schweiz zurück FLIEGEN werden. Bilder unseres Törns werden nach unserer Rückkehr unter ´Pictures´ zu sehen sein. Bis bald... Hans, Rudi, Urs, Rene, Andreas (am Ziel)